Vier Mitarbeiter, viele Werkstoffe
Kleinunternehmen trauen sich häufig nur zögerlich an Automatisierung heran. Dabei können auch sie durch die richtige Lösung enorm an Wirtschaftlichkeit gewinnen. Das zeigt ein Kooperationsprojekt zwischen Wassermann Technologie, dem Generalunternehmer Rink und dem Maschinenhersteller Grob für das Vier-Personen-Unternehmen Fertigungstechnik Scheld.
Bei Fertigungstechnik Scheld aus dem hessischen Gladenbach-Mornshausen wird neuerdings auch nachts gearbeitet. Die Lichter in der Fertigung bleiben dennoch aus, denn die Nachtschicht läuft mannlos. Genau darin liegt die Besonderheit. Scheld ist klein und hat dennoch automatisiert. In der Fertigung steht neben dem neuen, vollautomatisierten Bearbeitungszentrum lediglich eine weitere Maschine. Die läuft aber nur in der Tagschicht.
Außer Geschäftsführer Jürgen Scheld sind noch drei Mitarbeiter am Start. Fertigungstechnik Scheld bedeutet also: kleine Belegschaft, großes Knowhow, viel zu tun und bei den Stückzahlen kaum mehr Luft nach oben. Die Firma fertigt für Automobilzulieferer, Maschinenbau, Pharma- und Medizintechnik. Man produziert Prototypen, Kleinserien und Wiederholteile für Formenbau, Modell- und Lehrenbau. Die Materialien: Aluminium, Messing, Kupfer, Stahl und Kunststoff.
Kleines Unternehmen – großer Druck
Scheld ist ein typisches, gut etabliertes Kleinunter-nehmen, das aber den Druck des Wettbewerbs spürt. Eines Tages war klar: Scheld muss seine Wettbewerbsfähigkeit sichern. „Für uns hieß es, Maschinenkosten senken und Maschinenbereitschaft steigern. Die Spindeln mussten mehr Einsatzzeiten haben als bisher“, erklärt Jürgen Scheld die Ausgangssituation.
Letztlich blieben nur zwei Optionen. Die erste: Den Personalstand erhöhen, um eine zweite oder gar dritte Schicht fahren zu können. Oder automatisieren, um mannlos weitere Schichten möglich zu machen.
Das Unternehmen hat sich für Automatisierung entschieden. „Fachkräfte sind immer schwieriger zu bekommen. Zudem wollen sich viele Zerspaner nach einigen Jahren in der Fertigung zum Techniker qualifizieren und lieber in der Arbeitsvorbereitung oder Fertigungssteuerung arbeiten“, betont Jürgen Scheld. Er trennte sich von zwei seiner drei Bearbeitungszentren und kaufte dafür eine neue fünfachsige Grob G 350a aus der Access-Baureihe, um sie zur vollautomatisierten Lösung zu erweitern. Die Maschine sollte mit einem Palettenspeicher und einer Zuführung für Werkstücke ergänzt werden.
Kooperation zwischen Automatisierer und Maschinenhersteller
Eineinhalb Autostunden von Gladenbach-Mornshausen entfernt liegt kurz hinter Fulda der Ort Eichenzell, die Heimat der Wassermann Technologie GmbH. Automatisierungsfragen wie die von Scheld sind dort gern gesehen. „Wir entwickeln für viele Branchen Automatisierungslösungen und sind seit über 20 Jahren auch in der Automatisierung von Werkzeugmaschinen aktiv“, sagt Geschäftsführer Sebastian Wassermann. „Mit unserem Paletten-Terminal für Werkstücke haben wir eine flexible Lösung, die sich kundenspezifisch modifizieren und an jede gängige CNC-Maschine ankoppeln lässt.“
Der für Scheld konfigurierte Palettenspeicher hat eine Kapazität von 44 Paletten, verteilt auf sechs Ebenen, deren Höhen variabel festgelegt werden können. Die Palettengröße beträgt 400 mm x 400 mm.Der Speicher ist mit einer Standfläche von 2,87 m x 3,97 m sehr kompakt. Er verfügt über einen hauptzeitparallelen ergonomischen Rüstplatz und wird mit einer Beckhoff Twincat 3 PLC gesteuert.
Kompatibel auf allen Ebenen
Die Adaption des Speichers erfordert vor allem eines: Schnittstellen kompatibel zu machen. Einerseits auf mechanischer Ebene, sodass die Zuführung und die Entnehme der Paletten präzise und zuverlässig erfolgt. Andererseits müssen die softwareseitigen Schnittstellen des Paletten-Terminals und der CNC-Maschine an die Steuerung des Leitrechners angebunden werden – in diesem Fall an die flexible EMS-Leittechnik aus dem Hause Procam.
Bei der mechanischen Anbindung des Terminals an die Grob G 350a arbeiteten die beiden Hersteller und die Firma Rink Werkzeugmaschinen eng zusammen. „Wir haben unser Terminal in diesem Fall zum ersten Mal an die neue Grob-Access-Baureihe adaptiert. Durch die enge Zusammenarbeit mit Grob und Rink Werkzeugmaschinen konnte die Anbindung des neuen Maschinentyps schnell und unkompliziert realisiert werden“, berichtet Wassermann. Nachdem die technischen Anpassungen vollzogen waren, übernahmen Rink Werkzeugmaschinen und die Wassermann Technologie auch die Aufstellung und die Inbetriebnahme der neuen Insellösung beim Kunden.
Spindelstunden und Durchsatz fast verdoppelt
Für Fertigungstechnik Scheld bedeutet die neue Automatisierungslösung klare, messbare Vorteile. Die Produktionsleistung der neuen Maschine ist höher als die der beiden ersetzten Maschinen zusammen – vorrangig durch die Automatisierung. Um das Potenzial auszuschöpfen, wurden als Spannmittel die Spanntürme und -pyramiden von Triag International ausgewählt, denn damit können mehrere Werkstücke auf einer Palette gespannt werden. Mit dieser Kombination aus Automatisierung und Spannmittel konnten die Spindelstunden mindestens verdoppelt werden. Zusätzlich hat Scheld noch viel produktiven Spielraum nach oben, denn der Werkzeugspeicher Wassermann Terminal bietet ein hohes maximales Transfergewicht von 400 kg.
Dank Automatisierung alle Ziele erreicht
Fertigungstechnik Scheld kann den Durchsatz jetzt deutlich erhöhen. „Wir sind in der Lage, etwa das doppelte Auftragsvolumen zu realisieren. Und: Diese Lösung passt perfekt in unser Fertigungsportfolio. Nachts produzieren wir mannlos Wiederholteile – übrigens ab Losgröße 1 –, tagsüber konzentrieren wir uns auf Prototypen“, gibt Jürgen Scheld Einblick in den Produktivitätszuwachs und in das neue Fertigungsszenario. Fertigungstechnik Scheld hat mit Automatisierung alle Ziele erreicht: Wirtschaftliches Wachstum und höhere Effizienz, ganz ohne personellen Mehraufwand.